Die "Franzosenzeit" von 1795 bis 1813 und die Zeit unmittelbar danach
Nach der französischen Revolution von 1789 führt eine Koalition aus Preußen und Österreich
Krieg gegen die französische Republik. Der Vorstoß der preußisch-österreichischen Truppen bleibt in der Champagne stecken, der
Gegenangriff zwingt sie, die Niederlande und Belgien aufzugeben, und wirft sie auf die rechte Rheinseite zurück.
Am 6. Oktober 1794 marschieren französische Truppen in Köln ein, seit Ende Oktober 1794 ist das ganze linke Rheinufer
in französischer Hand: unter der französischen Herrschaft
kommt es hier zu einer grundlegenden politisch-sozialen Neuordnung mit einer straffen und effektiven Verwaltung,
einer klar gegliederten Gerichtsordnung und einer neuen Rechtsordnung. 1802 werden linksrheinisch alle Stifte,
Klöster, Orden usw. mit wenigen Ausnahmen aufgehoben, die Kirchengüter werden säkularisiert, d.h. in Staatseigentum überführt.
Von 1803 bis 1813 werden sie privatisiert, d.h. verkauft,
um Geld für die Staatskasse zu beschaffen. Auf diese Weise werden fast 40 % des Bodenbesitzes umgeschichtet.
In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1795 überqueren französische Truppen den Rhein bei Ürdingen, später
auch bei Düsseldorf, und drängen die österreichischen Truppen nach Süden über die Sieg.
Am 6. September 1795 sind Franzosen in den Kirchspielen Seelscheid und Wahlscheid (Familienbuch Wahlscheid S.794
34).
Am 14. September 1795 rücken die Franzosen unter General Michel Ney das Aggertal hinab nach
Neunkirchen vor und ziehen sich kurz darauf wieder zurück.
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"Das Jahr 1795 schon ist aus mehreren Ortsarchiven als Jahr schwerer Teuerung ja Hungersnot bekannt,
einerseits infolge der unaufhörlichen Naturallieferungen für die gewaltigen Kriegsheere, andererseits
infolge geringerer Ernte. Dazu und zu allen den Kriegsverlusten kam auch noch eine Viehseuche ...
... ist das Vieh gefallen daß es gar wenig blieben sind. Auf dieser Seite (
d.h. rechtsrheinisch) bis
Syburg da sind nur drei Stück blieben und den Rhein Bis Mülheim sind auch nur drei Stück blieben ...
In Birk, Breit, Teißem , Grimberg und Gäber ist das Vieh gefallen daß nicht viel blieben ..."
37)
Zum 1. Januar 1796 wird ein Waffenstillstand vereinbart,
die Sieg dient als Grenzlinie zwischen den französischen (nördlich) und österreichischen Truppen
(südlich).
Am 31. Mai wird der Waffenstillstand von Österreich aufgekündigt.
"1796 27./28. May ... überall wurde geplündert. Die Franzosen liessen eine Requisition nach der anderen ergehen."
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(aus der Chronik des Pfarrers Scheibler von Volberg)
Am 31. Mai gibt es ein Scharmützel an der Agger. Französische Truppen rücken nach Süden vor, die Division Lefebvre
überschreitet am 1. Juni die Agger bei Troisdorf und Lohmar, auf dem Rückzug am 20. Juni plündern die Franzosen
Pfarrhaus und Kirche von Lohmar. Der Vormarsch der Franzosen wird von einem Zeitzeugen wie folgt beschrieben:
"... den 31ten May ist eine Armey 21 Tausend Frantzosen von Birk bei der Lüttersmüllen herüber auf
Neunkirchen kommen mit 20 Kanonen und 200 Wagen und von Neunkirchen auf Heisterschoß in das Heisterschosser Feld."
37
Dieser Vormarsch der Franzosen endet mit der Schlacht bei Kircheib. Im Herbst grassiert darüber hinaus die "Dysenteria".
Die Jahre 1785 und 1786 sind mit enormen Kriegslasten für die Bevölkerung verbunden, innerhalb von zwei Jahren bewegen sich
die kaiserlich-österreichischen und französischen Truppen siebenmal hin und her.
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Die Requirierungen und Kontributionen durch beide Parteien saugen Land und Leute rücksichtslos aus,
Fourage, Lebensmittel, Vieh, Gespanne, Karren, Pferde,
Spanndienste usw. werden unter Androhung von Gewalt erpresst.
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Ein dritter Vorstoß der Franzosen erfolgt am 17. April 1797,
dann enden die Koalitionskriege mit den Verträgen von Basel 1785 und Campo Formio 1797.
Im Unterschied zu den linksrheinischen Gebieten lassen die Franzosen die Verwaltungsstrukturen
des Herzogtums Berg zunächst noch unangetastet. Dem formell noch regierenden bayrischen Kurfürsten
ist allerdings jede eigenständige Regierungstätigkeit untersagt. Die französischen
Truppen sind ausschließlich an Kontributionen, Requisitionen und Einquartierungen interessiert.
Durch den Vertrag von
Luneville 1801 wird das linke Rheinufer an Frankreich abgetreten, zugleich wird festgelegt, daß die deutschen
Fürsten, die ja durch diesen Vertrag Gebiete verlieren, rechtsrheinisch entschädigt werden sollen.
Dies erfolgt durch den "Reichsdeputationshauptschluß", der am 25. Februar verkündet wird. Er bedeutet die
Auflösung aller nicht karitativ tätigen Klöster und Orden sowie die "Säkularisation" sprich Verstaatlichung ihres Besitzes.
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Landesherr und Herzog von Berg ist zu dieser Zeit Kurfürst Max Josef von Pfalz-Bayern, der am
12. September 1803 das Dekret über die Aufhebung der geistlichen Herrschaften und Klöster im Herzogtum Berg erläßt.
1805 tritt Bayern das Herzogtum Berg endgültig an Frankreich ab. Von den Franzosen werden ein Jahr später
das Herzogtum Berg und die
rechtsrheinischen Teile des Herzogtums Kleve zum neuen "Großherzogtum Berg" zuammengefasst. Napoleon überträgt
es zunächst seinem Schwager Joachim Murat, ab 1808 übernimmt er selbst bzw. sein Statthalter Graf Beugnot die Verwaltung.
Die Franzosen führen eine Reihe von grundlegenden Veränderungen in Verwaltung und Justiz durch, die von den Preußen
später teilweise übernommen werden.
Am 14. November 1808 wird die Departementverfassung eingeführt: Das Großherzogtum Berg wird in die vier
Departements Rhein, Sieg, Ruhr und Ems aufgeteilt, diese wiederum in Arrondissements bzw. Bezirke,
darunter die Kantone mit den einzelnen Gemeinden.
"Kaiserliches Decret ....." von 1809
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Am 12. Dezember 1808 wird die Leibeigenschaft abgeschafft, am 11. Januar 1809 das Lehnswesen.
Am 1. Januar 1810 wird der Code Napoleon eingeführt.
Am 17. Dezember 1811 erfolgt eine Neuorganisation des Schulwesens.
1813, nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei
Leipzig, geht die französische Herrschaft zu Ende. Im November rücken die ersten Truppen der verbündeten
Preußen und Russen in das Großherzogtum Berg ein, am 13. November erreichen russische Truppen Düsseldorf.
Die französische Beamtenschaft flieht über den Rhein, das Großherzogtum Berg wird aufgelöst, die Departementverfassung abgeschafft.
Ab 25.11.1813 untersteht Berg als Generalgouvernement dem russischen Staatsrat Justus Gruner, am 15. Juni 1814 geht die Verwaltung in
preußische Hände über.
In der Neujahrsnacht 1813/1814 setzen preußische Truppen unter Blücher bei Kaub über den Rhein.
Durch die Verträge des Wiener Kongresses werden am 5. April 1815 die Rheinlande offiziell von Preußen übernommen,
am 22. 4. 1816 wird das
Generalgouvernement Berg aufgelöst.
Die neue Verwaltungseinheit heißt zunächst Provinz Jülich-Kleve-Berg,
dann ab 1822 Rheinprovinz mit Koblenz als Hauptsitz. Die bisherige Justizorganisation
und Rechtsordnung bleiben allerdings weiterhin in Kraft und firmieren als "Rheinisches Recht" und "Rheinische Institutionen".
Mit einer Kabinettsorder vom 19.11.1818 wird dem Rheinland als Besonderheit die "vorläufige Beibehaltung
des französischen Rechts" zugestanden, während im übrigen Preußen weiterhin das Allgemeine Preußische
Landrecht gilt. Erst um die Jahrhundertwende werden beide durch das Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.
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